Perspektiven: Die Pixelfarm GmbH in Bern
Wie man übers Aarebaden an Stellen kommt, warum kleiner besser ist und über Künstleraustreibung: Zora Gauch, Sandro Gygli und Tom Hänni im Gespräch mit dem SGD.
Eure Geschichte in drei Sätzen:
Tom Hänni (T): Zuerst habe ich das Lehrerseminar gemacht, danach den Vorkurs in Bern besucht und ein Studium angefangen für Bildnerisches Gestalten. Dort habe ich mich aber nie ganz Zuhause gefühlt – und nach zwei Jahren in die Visuelle Kommunikation gewechselt. Und kurz nach dem Studienabschluss haben wir dann unsere Pixelfarm gegründet.
Sandro Gygli (S): Zuerst habe ich die Matura abgeschlossen, dann den gestalterischen Vorkurs. Meine Berufslehre als Grafiker EFZ habe ich bei Giessform in Bern gemacht. Nach meinem Abschluss bin ich dann über ein Praktikum in die Pixelfarm gerutscht. Zora hat mich nicht mehr hergeben wollen – also stellten sie mich an und: hier bin ich!
Zora Gauch (Z): In den Beruf bin ich über die Fachklasse in Biel gelangt. Nach meinem Abschluss als Grafikerin EFZ bin auch ich über ein Praktikum zur Pixelfarm gekommen, aber aus wirtschaftlichen Gründen konnten sie mir damals keine Stelle anbieten. Deswegen bin ich weitergezogen und habe eine Anstellung in einer Berner Agentur gefunden. Nachdem ich dort gekündigt hatte, ging ich mit dem Pixelfarm-Team in der Aare schwimmen und habe ihnen von meiner Kündigung erzählt. So bin ich durchs Baden an meine Stelle hier gekommen.
Heute:
S: Arbeiten wir alle hier! Unser Schwerpunkt liegt auf der Illustration und der Animation, aber unser Spektrum ist breit: Digitale und analoge Gestaltung sind ausgeglichen und jeder von uns hat sein Spezialgebiet. Je nach Auftrag arbeiten wir im Team oder eben allein.
T: Wir haben hier quasi keine Hierarchien und mit sechs Angestellten und einem Lernenden eine gute Grösse. Wenn es etwas zu diskutieren gibt, dann machen wir das gemeinsam. Grösser möchten wir im Moment nicht werden, weil wir keine Agentur sein wollen, die eine miese Life-Work-Balance hat und alle zwei, drei Monate die Grafiker verheizt. Es ist super so und passt wie es ist.
Was ist euch bei eurer Arbeit wichtig?
Z: Frei an eine Aufgabenstellung herangehen zu können und diese immer unterschiedlich zu lösen. Oder in einem Wort: Abwechslung.
S: Ich sehe das so wie Zora. Was mir zusätzlich noch wichtig ist, ist der Kontakt zu den Kundinnen und Kunden und damit die Möglichkeit, in den Gestaltungsprozessen mitzureden und mich einzubringen.
Was schätzt ihr an eurer Arbeit und was gefällt euch weniger?
S: Ich schätze die Vielseitigkeit, die unterschiedlichen Kompetenzen in der Grafik und unser Team hier. Manchmal ist es für mich etwas schwierig abzuschalten und zwischendurch Mühe bereitet mir die Verbindung von Budget und Aufwand.
T: Das mit dem Abschalten stört mich nicht, ich finde es schön, Dinge mit mir rumzutragen und reifen zu lassen. Womit ich mich ab und an schwer tue, ist die Haltung einiger Kunden, dass wir Grafiker Bonvivants und Künstler seien. Mir fehlt manchmal die Wahrnehmung unserer Arbeit als seriöser Beruf.
Wie habt ihr es mit der Work-Life-Balance?
Z + S: Tipptopp. Wir haben noch keine Familie, arbeiten beide 80% und können diese auch noch frei einteilen. Das passt prima.
T: Auch ich habe noch keine Kinder und mir kommt die Flexibilität der Selbständigkeit sehr entgegen. Das ermöglicht mir einen guten Ausgleich von Leben und Arbeit.
Welchen Stellenwert hat für euch eure Ausbildung – was konntet ihr mitnehmen? Was habt ihr vermisst?
Z: Die Fachklasse war für mich eine gute Zeit und ich schätzte die damit verbundene Freiheit, aber im Nachgang vermisse ich den Bezug zum beruflichen Alltag. Ich finde es gut, dass die Schülerinnen und Schüler heute Praktika machen müssen. Meine Ausbildung dauerte damals nur drei Jahre; vier Jahre – so wie es jetzt ist – finde ich viel besser.
S: Ich habe die Ausbildung in meinem Lehrbetrieb super gefunden: direkt in der Praxis und den «Künstler» haben sie mir schnell ausgetrieben. Ich habe viel mit Konzepten arbeiten können und hatte auch Zeit Dinge auszuprobieren. In der Berufsfachschule und im zweiten überbetrieblichen Kurs (ÜK2) habe ich es etwas bedauert, dass der Schwerpunkt stark im Analogen lag. Vermutlich ist das heute anders. (Anmerkung des Autors: Ist es.)
T: Der Vorkurs ist super und intensiv gewesen. Auch das Studium habe ich toll gefunden, damals war alles noch frisch und im Aufbruch – eine tolle Erfahrung, neu und spannend! Jedoch sehr viel Theorie und weit weg von der Praxis und ihren Zeitverhältnissen. Aber ich habe gelernt, dass das Konzept bei der Arbeit ungemein wichtig ist.
Wie beurteilt ihr die aktuelle Ausbildung zum Grafiker EFZ, zur Grafikerin EFZ?
S: Gut. Ich finde, es ist ein gutes Gleichgewicht zwischen digitaler und analoger Gestaltung und es geht nicht nur um die Ausführung, sondern auch um Konzeptarbeit.
Z: Ich finde es schön, dass man Grafikerin noch ohne Matura lernen kann.
Wo steht unser Beruf in fünf Jahren?
Z: Wir machen all unsere Logos für 4 Dollar 99 über Logo-Creator oder ähnliche Höllenportale.
S: Ich denke der Markt für seriöse Gestaltung wird kleiner, weil mehr Menschen das Gefühl haben, sie können Photoshop bedienen. Vermutlich werden die Grafikerinnen und Grafiker von morgen vermehrt im Konzept und weniger im Produkt arbeiten.
Manuel: Besten Dank liebe Pixelfarm! Für eure Zeit, das Mitmachen und das anregende und spannende Gespräch. Merci.
Showcase
Zum Autor: Manuel Castellote ist Grafiker, Texter/Konzepter und Illustrator. Selbstständig seit 2012 und seit 2019 im Vorstand des SGD. Er lebt und arbeitet in Bern.