Perspektiven: Marc Zaugg
55 Jahre Berufstätigkeit, Ausstellungsgestalter, Engagement als Lehrer und Schlüsselfigur für Weiterbildungen in der Grafik: Marc Zaugg im Interview mit dem SGD.
Deine Geschichte
Die ist lang! Meine Grafikerlehre habe ich 1966 bei Werner Mühlemann gemacht. Danach hatte ich gemeinsam mit Beat Frank ein kleines Atelier in der Lorraine, aber nach der Heirat und dem Vaterwerden waren regelmässiger Lohn und fixe Arbeitszeiten wichtiger als in die Nacht hinein Fotolayouts und Covers zu zeichnen. So habe ich eine Stelle in Freiburg angenommen, als archäologischer Grabungstechniker. Dort hatte ich aber ungemein lange Arbeitstage und weil ich mehr Zeit mit meinem Kind verbringen wollte, zog es mich zurück nach Bern in die Selbständigkeit. Diese hat mehrere Stationen umfasst – aber durch die Tätigkeit in Freiburg hatte ich die Nähe zur Wissenschaft und damit zur Wissensvermittlung. So habe ich Aufträge für die Gestaltung von Büchern und Ausstellungen bekommen und mich auf Letztere spezialisiert. Diese Spezialisierung war dann auch ein Türöffner für Ausstellungsaufträge aus anderen Branchen und Institutionen – wie z.B. Kantone und Bund. Auch für die 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft. Was ich nie richtig gemacht habe, ist Werbegrafik. 2010 habe ich dann mein Atelier langsam heruntergefahren und seit 2015 bin ich pensioniert, aber nicht im Ruhestand.
Heute:
Widme ich mich leidenschaftlich meiner Druckkunst, bin engagiert im Vorstand von OFFICINA HELVETICA – ein Druck-Laboratorium in Biel, wo wir altes Wissen mit moderner Technologie zusammenbringen – und mache ab und an noch ein paar kleine Grafikaufträge.
Was ist dir bei deiner Arbeit wichtig?
Im Laufe der Jahre haben sich zwei Dinge entwickelt, die mir wichtig sind: Handwerk und Tradition. Und damit einhergehend die Wiederentdeckung von Haptik, Material, dem Zeitbedarf von Prozessen und die Experimentierfreudigkeit.
Was schätzt du an deiner Arbeit und was gefällt dir weniger?
Weniger gefällt mir nichts, aber schätzen tue ich die Beschäftigung mit der Langsamkeit – als Beispiel dazu der Druck einer Zeile im Bleisatz: Von der Auswahl der Buchstaben über das Setzen bis hin zum gedruckten Abzug. Doch das ist nur die halbe Arbeit. Die Buchstaben müssen wieder gelöst, gereinigt und im Setzkasten versorgt werden. Das bezieht sich auf meine Druckkunst – und die muss ja auch nicht mehr wirtschaftlich sein. Bei der Grafik ist das etwas anders.
Wie brachtest du Familie und Beruf unter einen Hut?
Meine Frau hat immer gearbeitet und wir haben uns – wenn immer möglich – aufgeteilt. Und ab und zu war unser Kind auch bei mir im Atelier.
Welchen Stellenwert hat für dich deine Ausbildung – was konntest du mitnehmen? Was hast du vermisst?
Was ich sicher mitgenommen habe, ist die Genauigkeit – auch wenn ich vom Typ Mensch her nicht immer der Genaue bin. Das hätte ich teilweise besser machen können. Auch mitgenommen habe ich die Art und Weise der Gestaltung damals: Aufbauend, immer zuerst einen Plan haben, sich auseinandersetzen, eine Skizze machen – und erst dann loslegen. Die Art heute ist mehr etwas machen und dann auswählen. Aber ich möchte das nicht werten, es ist auch spannend zu sehen, wie Junge mit den alten Dingen anders experimentieren.
Wie beurteilst du die aktuelle Ausbildung zum Grafiker EFZ, zur Grafikerin EFZ?
Nicht schlecht. Immer noch nicht. Aber ich bin ja nicht ganz unbefangen: Ich habe lange an der Schule für Gestaltung Biel unterrichtet, später an der Schule für Gestaltung Bern und Biel und an anderen Orten, Weiterbildungen entwickelt und war bei beiden Berufsverbänden engagiert. Aber ich glaube wir haben neue Tendenzen nicht verpasst und uns stark für weitere Angebote nach der Lehre eingesetzt. Mehr Gewicht in der Ausbildung könnten andere Formen der Zusammenarbeit haben. Bei mir damals war es klassisch, ein Atelier zu gründen – das kommt noch aus der Künstlerzeit. Ich kannte sogar Grafiker, die noch eine Staffelei hatten. Aber die Zeiten sind vorbei. Doch auch ich habe mittlerweile einen Gap, da ich seit fünf Jahren nicht mehr in der Grafik bin.
Und zum Schluss noch dies:
In 55 Jahren Berufstätigkeit habe ich mich nie gelangweilt.
Showcase
Zum Autor: Manuel Castellote ist Grafiker, Texter/Konzepter und Illustrator. Selbstständig seit 2012 und seit 2019 im Vorstand des SGD. Er lebt und arbeitet in Bern.